Gerade nehmen wir 3 Pandemien wahr, die gleichzeitig stattfinden. Pandemie Eins ist die Corona-Pandemie. Pandemie Zwei ist die Hungersnot. Und die dritte Pandemie besteht in der Zerstörung von Lebensgrundlagen. Die Corona-Pandemie hat 3,19 Millionen Menschen infiziert und 228.000 Menschen getötet. Das World Food Program hat die Weltgemeinschaft vor einer drohenden „Hunger-Pandemie“ gewarnt. Diese „Hunger-Pandemie“ hat das Potential über eine viertel Milliarde Menschen in den Abgrund zu reißen. Ihre Leben und ihre Lebensgrundlagen sind in akuter Gefahr.[1] [2]
Laut World Food Program könnten in den nächsten 3 Monaten täglich mehr als eine Million Menschen an den Rand einer Hungersnot gedrängt werden und täglich könnten 300.000 Menschen verhungern.
Es findet auch ein pandemischer Verlust von Lebensgrundlagen statt. Laut ILO (International Labour Organisation) „wurden aufgrund der ökonomischen Krise, die durch die Pandemie entstanden ist, fast 1,6 Milliarden Tagelöhner (die auf dem Arbeitsmarkt die am meisten gefährdete Gruppe darstellen) von insgesamt 2 Milliarden Tagelöhnern und einer weltweiten Gesamt-Arbeitskräftemenge von 3,3 Milliarden massiv geschädigt, im Hinblick auf ihre Möglichkeiten ihr Leben zu finanzieren. Dies resultiert aus den Shutdown-Maßnahmen oder daraus, dass diese Menschen in den am meisten betroffenen Bereichen beschäftigt sind.“ So stellt ILO-Generaldirektor Guy Ryder fest: „Für Millionen von Arbeitern bedeutet kein Einkommen auch keine Lebensmittel, keine Sicherheit und keine Zukunft. (….) Mit Fortschreiten der Pandemie und der Jobkrise wird es immer dringender, die am stärksten gefährdeten Menschen zu schützen.“ [3]
Alle drei Pandemien wurzeln in einem ökonomischen Modell, das auf Profitstreben, Gier und Extraktivismus basiert. Dieses Modell hat die ökologische Zerstörung beschleunigt, den Verlust von Lebensgrundlagen verschärft, die wirtschaftliche Ungleichheit vergrößert und die Gesellschaft in das eine Prozent und die anderen 99 Prozent gespalten. Lasst uns an diesem 1. Mai und in der Zeit der Corona-Krise neue Wirtschaftssysteme erdenken und erschaffen, die auf Erdendemokratie und Wirtschaftsdemokratie beruhen um die Erde und die Menschheit zu schützen. Lasst uns alle drei Krisen mit demokratischer Mitbestimmung und Solidarität angehen. Lasst uns im gegenseitigen Mitgefühl dafür sorgen, dass niemand hungern muss. Beteiligen wir uns solidarisch und demokratisch an der Gestaltung zukünftiger Wirtschaftssysteme, in der keine Hand ohne Arbeit und kein Mensch ohne Stimme sein werden.
Die multiple Krise ist ein Weckruf. Das von dem einen Prozent bestimmte Wirtschaftssystem funktioniert weder für die Menschen noch für die Natur. Das eine Prozent bezeichnet die anderen 99 Prozent als „wertlose Leute“. Die Zukunftsvorstellung des einen Prozent basiert auf digitaler Landwirtschaft ohne Bauern, automatisierten Fabriken und Produktionen ohne Arbeiter. Wir sind daher verpflichtet, Wirtschaftssysteme zu schaffen, die nicht die Natur, die Lebensgrundlagen und die Rechte der Arbeiter zerstören. Wir sind verpflichtet, Wirtschaftssysteme zu schaffen, in denen unsere Gesundheit nicht durch Krankheiten und Pandemien gefährdet wird. Wirtschaftssysteme, in denen weder unsere Lebensgrundlagen noch unsere Freiheit, unsere Würde und unser Recht auf Arbeit zerstört werden. Wirtschaftssysteme, die keinen Hunger erzeugen. Lasst uns #ZeroHunger Wirtschaftssysteme erschaffen, indem wir die Lebensgrundlagen der Kleinbauern schützen, die uns mit 80 Prozent unserer Nahrungsmittel versorgen. Lasst uns in der Landwirtschaft wechseln zum giftfreien Bioanbau für den Schutz der menschlichen Gesundheit und der biologischen Vielfalt. Lasst uns lokale solidarische Wirtschaftskreisläufe aufbauen, die die Lebensgrundlagen der Marktverkäufer und kleinen Einzelhändler unterstützen, und die zugleich die Gemeinschaft fördern und den ökologischen Fußabdruck verringern.
Lasst uns für die Zeit nach Covid-19 ein neues Wirtschaftssystem schaffen, in dem Bewusstsein, dass alle Leben gleichwertig sind, dass wir als Teil dieser Erde ökologische und biologische Lebewesen sind, dass Arbeit unser Recht und zutiefst im Menschsein verankert ist. Lasst uns darüber bewusst sein, dass die Sorge für unsere Erde und für uns Menschen untereinander die wichtigste Arbeit überhaupt ist. Es gibt keine überflüssigen und wertlosen Menschen. Wir sind eine Menschheit auf einem Planeten. Autonomie, Sinn, Würde, Arbeit, Freiheit und Demokratie sind unser Geburtsrecht.
Übersetzung aus dem Englischen: Regina Schwarz
Foto: Manlio Masucci
[1] https://www.washingtonpost.com/opinions/2020/04/22/covid-19-could-detonate-hunger-pandemic-with-millions-risk-world-must-act/
[2] https://insight.wfp.org/covid-19-will-almost-double-people-in-acute-hunger-by-end-of-2020-59df0c4a8072
[3]https://www.ilo.org/global/about-the-ilo/newsroom/news/WCMS_743036/lang–en/index.htm