Home > Nachrichten > »Frieden mit der Erde schließen« – Ein ökofeministisches Manifest

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Anlässlich des Internationalen Tages der Umwelt stellte Dr. Vandana Shiva, Gründerin von Navdanya, am 5. Juni diesen Jahres zusammen mit weiteren Frauen der internationalen Bewegung Diverse Women for Diversity (DWD) auf einer Pressekonferenz in Rom das ökofeministische Manifest »Making Peace with the Earth« vor. Das von Navdanya veröffentlichte Manifest ist nun auch in der deutschen Übersetzung unter dem Titel »Frieden mit der Erde schließen durch Vielfalt, Gegenseitigkeit, Gewaltlosigkeit und Fürsorge« erschienen.

Internationales Frauennetzwerk Diverse Women for Diversity

Die vor über 25 Jahren gegründete Bewegung Diverse Women for Diversity (DWD) ist ein internationales Frauennetzwerk, das als Reaktion auf die Bedrohung der biologischen und kulturellen Vielfalt durch die Globalisierung entstand. Bereits auf dem Welternährungsgipfel 1996 erklärte DWD, dass die Antwort auf die durch konzerngesteuerte Agrarindustrie verursachten Probleme wie Krankheiten, Hunger und Umweltzerstörung die Stärkung der Ernährungssouveränität in den Händen der Frauen ist.

Heute ist das Netzwerk auf allen Kontinenten vertreten. Ziel ist es, die Energien von Frauen zu bündeln, um Alternativen auf der Grundlage von Gleichheit, Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit und Frieden zu formulieren und anzubieten. Neben Vandana Shiva und vielen weiteren Frauen aus aller Welt wie der südafrikanischen Friedensaktivistin Ela Gandhi sind auch die deutsche Biologin und Umweltaktivistin Christine von Weizsäcker sowie die österreichische TV-Köchin und Mitglied des Europäischen Parlaments Sarah Wiener Teil des Netzwerks.

Entstehung des Manifests »Frieden mit der Erde schließen«

Vor dem Hintergrund des zunehmenden Klimachaos und der Konflikte um natürliche und wirtschaftliche Ressourcen trafen sich vom 2. bis 8. März diesen Jahres mehr als einhundert Frauen aus allen Teilen der Welt auf der Navdanya Biodiversity Conservation Farm am Fuße des Himalaya, um Erfahrungen auszutauschen und alternative Strategien zu entwickeln. Zum Abschluss des Treffens wurde ein gemeinsames Dokument verfasst, um die Stimmen von Bäuerinnen, Aktivistinnen, Saatguterhalterinnen und Forscherinnen aus der ganzen Welt zu bündeln und gemeinsam die soziale und ökologische Verantwortung der industriellen Landwirtschaft und der neoliberalen Wirtschaft anzuprangern.

»In einer Welt, die zunehmend vom Überwachungskapitalismus und der Finanzialisierung aller Lebensformen kontrolliert wird, lehnen wir alle falschen Lösungen ab und verurteilen sie. Wir widersetzen uns allen Versuchen der Konzerne und ihrer Verbündeten, die genetischen Grundlagen des Lebens für den Profit der Konzerne zu verändern und zu manipulieren. Wir akzeptieren keine gentechnisch veränderten Pflanzen und Tiere, einschließlich genmanipulierter Lebensmittel, oder gefälschte Lebensmittel, die zu einer noch größeren Monopolisierung durch die Konzerne führen und die biologische Vielfalt weiter zerstören.«

Die Rolle der Frauen

Die industrielle Landwirtschaft mit ihrer inhärenten Abhängigkeit von Pestiziden und chemischen Düngemitteln, fossilen Brennstoffen, Monokulturen und gentechnischer Manipulation ist einer der größten Verursacher der Zerstörung von Ökosystemen, von Biodiversitätsverlust und Treibhausgasemissionen. Landraub, Patentierungen und Monopole bedrohen weltweit die biologische und kulturelle Vielfalt sowie kleinbäuerliche Strukturen, die vor allem im globalen Süden oft von Frauen getragen werden.

So stellen Frauen weltweit 43 % der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte, sind jedoch in Bezug auf Land- und Viehbesitz, gleiche Bezahlung, Entscheidungsbeteiligung und Zugang zu Krediten und Finanzdienstleistungen stark diskriminiert. Weltweit sind Frauen stärker von Ernährungsunsicherheit und Hunger bedroht als Männer. Wie in den SDG festgelegt, ist die Gewährleistung sicherer Landrechte für Frauen eine notwendige Voraussetzung für die Beseitigung von Armut und Hunger und die Verwirklichung der Gleichstellung der Geschlechter. Nach Angaben der Vereinten Nationen können Frauen mit den gleichen Ressourcen wie Männer die landwirtschaftlichen Erträge um 20-30 % steigern und damit das Problem des Hungers um 12-17 % verringern. Quelle

Antworten auf die Krisen unserer Zeit

Das in sechs Kapitel aufgeteilte Manifest wurde von über dreißig Mitwirkenden verfasst, wobei die verschiedenen Stimmen die kollektive Botschaft des Manifests widerspiegeln: Vielfalt ist der Schlüssel zum Überleben. Die Antworten auf die aktuellen Krisen liegen in indigenem Wissen und Frauen, in der Agrarökologie und Ernährungssouveränität, in der Rückgewinnung der Gemeingüter, der Regeneration der Erde und der menschlichen Gemeinschaften, in Dezentralisierung, Diversität und Demokratie sowie im Frieden unter der Nationen und mit der Erde.

»Gegenwärtig gibt es über 27 Kriege in der Welt, in denen riesige Summen für Rüstungsgüter ausgegeben werden, die Giftstoffe ausstoßen und unsere Ökosysteme schädigen. Diese Gelder könnten stattdessen in die Verbesserung der Gesundheit von Millionen von Frauen und Kindern fließen, die von unserer Fürsorge, unserer Wissenschaft und unserem Wissen profitieren könnten, sowie in Millionen von geschädigten Gebieten, die dazu beitragen könnten, die Krise des Klimas zu mildern.«

Aufruf zum Handeln

Das Manifest ist ein Aufruf zum Handeln, der sich sowohl an Staats- und Regierungschefs und internationale Organisationen als auch an Basisbewegungen und an alle Menschen richtet, um das Paradigma der Gier, des Extraktivismus und der Trennung der Menschheit von der Natur zu verlassen und zu einer Wirtschaft der Fürsorge überzugehen, die die Ökosysteme, von denen wir abhängen, nährt und die Schäden repariert, die bisher angerichtet wurden. Ein »weiter so« ist nicht mehr akzeptabel. Stattdessen fordert das Manifest den Übergang zu lokalen, biodiversen, ökologischen Systemen, die in Harmonie mit der Natur und miteinander arbeiten.

»Wir sind alle durch die biologische Vielfalt miteinander verbunden, von den Mikroorganismen im Boden über die Pflanzen und Tiere bis hin zu unseren Lebensmitteln und unserem Mikrobiom. Wir brauchen Vielfalt in den Lebensmittelsystemen, Vielfalt beim Saatgut, Vielfalt bei den Lebensmitteln und in den Volkswirtschaften. Wir alle sind durch diese lebendigen Netze der Vielfalt geschaffen und miteinander verbunden.«

Auf der Pressekonferenz in Rom, bei der das Manifest erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, schloss Dr. Shiva mit den folgenden Worten, gerichtet an die Patriarchen dieser Welt:

»Hände weg von unserem Saatgut und von unserer Nahrung. Wir werden diese schöne Erde, ihre Artenvielfalt, unsere Nahrung und unsere Zukunft mit unserer tiefsten Liebe und mit tiefstem Widerstand aus dieser tiefen Liebe heraus verteidigen.«

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